Corona Pandemie – Einhaltung von Fristen

Aus aktuellem Anlass wird das Diakonische Werk seit letzter Woche gefragt, wie es sich verhält, wenn Asylbewerber*innen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bekommen und wegen Corona-Maßnahmen entweder selbst nur eingeschränkt agieren können oder nicht persönlich zum Gericht gehen können oder die Beratungsstelle nicht aufsuchen können, zumindest nicht persönlich. Wichtig ist zunächst, dass die Klagefrist bzw die Frist zur Einlegung eines Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz nur dann zu laufen beginnt, wenn der Bescheid wirksam zugestellt wurde (vgl. § 57 Abs. 1 VwGO).

Ist die Zustellung wirksam erfolgt, läuft die Wochenfrist bzw. die 2-Wochenfrist nach dem AsylG ganz normal ab (§ 222 ZPO). Soll ein Rechtsbehelf eingelegt werden muss dies innerhalb der Frist erfolgen; entscheidend ist der Eingang beim Gericht (vor 24.00 h! im Briefkasten, im Faxeingang, persönlich bei der Geschäftsstelle bzw. Rechtsantragsstelle eingelegt). Sofern die Rechtsantragstelle nicht persönlich aufgesucht werden kann, gibt es die Möglichkeit fristwahrend den Rechtsbehelf per Fax (vor 24.00 h) einzureichen; Unterschrift nicht vergessen! Eine Einreichung per E-Mail geht nicht, weil dadurch die notwendige Unterschrift nicht rechtswirksam übermittelt werden kann.

Sollte die Frist unverschuldet verpasst werden, muss nach Wegfall des Hinderungsgrundes sofort einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist bzw. auch Wiedereinsetzung in die Antragsfrist beim Gericht gestellt werden und die Klage bzw. auch der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nachgeholt werden. Im Widereinsetzungsantrag muss glaubhaft gemacht werden, warum man an der verspäteten Einlegung gehindert war und die Versäumung der Frist nicht verschuldet hat; die allgemeinen Grundsätze aus dem Verwaltungsprozessrecht gelten auch in der Corona-Krise.

Juristisch ganz korrekt gilt: Eine Wiedereinsetzung setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten; das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wird ihm zugerechnet (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ). Die Wiedereinsetzungsgründe, d.h. sämtliche Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumnis gekommen ist, müssen bei einem Wiedereinsetzungsgesuch grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO dargelegt werden. Erforderlich ist eine rechtzeitige substantiierte und schlüssige Darstellung der für die unverschuldete Fristsäumnis wesentlichen Tatsachen (BVerwG, Beschlüsse vom 3. Februar 1993 – 6 B 4.93 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 183 und vom 6. Dezember 2000 – 2 B 57.00 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 236). Das Wiedereinsetzungsrecht gilt auch im Asylverfahren; die Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten bei der Frage der Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist ist im verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren mit dem Grundgesetz vereinbar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. April 2017 – 1 B 66.17 – […]).

Das größte Problem dürfte bei der Corona-Pandemie sein: Sollten die Person gehindert sein, rechtzeitig den Rechtsbehelf einzulegen,  muss – wie oben ausgeführt – der Wiedereinsetzungsantrag zeitnah nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Befürchtet werden muss, dass  viele dies aus Unkenntnis bzw. weil sie nicht rechtzeitig im kompetente Beratung kommen, dies vielleicht viel zu spät machen und dadurch Probleme enstehen. Von daher wäre es in Flüchtlingsunterkünften sinnvoll zu wissen, wer Post bekommen haben könnte und auf diese Person dann auch aktiv zuzugehen. soweit es möglich ist unter Wahrung der notwendigen Sicherheitsaspekte im Hinblick auf das Risiko einer Ansteckung bzw. Weitergabe des Corona-Virus.

Jürgen Blechinger, Jurist, Leitung Stabsstelle Migration Diakonisches Werk Baden, Stand: 17.03.2020